Am Donnerstag 17.08, habe ich mein aller erstes Masterclass gegeben, mit 6 tolles OrganistInnen. Thema war: Orgelrepertoire vor Bach.
Am 19.08, habe ich in der Dominikanerskirche ein Orgelrezital in Rahmen des Mozartlviv festivals gespielt. Es war sehr besetzt, circa 300 Zuhörer glaube ich. Hierunter, eine paar Bildeindrücke.
Ich danke sehr herzlich die Haliciana Schola Cantorum (Ivan Dukhnych) für die Organisation, Unterkunft, Masterclass usw., Mozart lvivfestival Team für die Werbung und mit-organisation und die Journalisten von Moderato
«Am 16. August kam ich nach einer Zwischenlandung in Kiew in Lemberg pünktlich an. Wie das
letzte Mal empfing mich Ivan am Flughafen, was ein wirklicher Trost ist, wenn man die Sprache
nicht kennt und die Schrift nicht lesen kann. Ich hatte im Flugzeug ein französisches Paar
kennengelernt, das nun am Flughafen recht verloren herumstand. Als ich Ivan sah, dachte ich, wir
könnten sie doch im Taxi mitnehmen! Ivan hat sofort akzeptiert und ihnen auch ein paar Tipps,
was sie in Lemberg sich anschauen sollten, gegeben. Es stellte sich heraus, dass die Frau mit 9
Jahren mit der Familie aus einem Dorf in der Region um Ternopil nach Frankreich ausgereist war
und sich auf einer Reise zu ihrer Kindheit befand. Heute lebt die Frau in der Region von Lille, wo
auch zwei meiner Schwestern wohnen. Die beiden konnten nur wenig russisch, aber in der
ukrainischen Küche kannten sie sich noch sehr gut aus wegen der Kochkunst ihrer Mutter. Das war
eine unerwartete, berührende Begegnung!
Am 17. August war eine Orgel-Meisterklasse der HSC (unabhängig vom MozArt Festival) geplant.
Erst am Abend zuvor wurde klar, dass es 6 Organistinnen sein würden. Das hat mich sehr gefreut,
da ich von Frankreich her gewohnt bin, dass das Orgelspiel eine Männerdomäne ist. Eine der
Teilnehmerinnen hat eine Anstellung im Lemberger Orgelsaal, wo sie fast jeden Tag ein Konzert
gibt! Es ist wahrscheinlich viel Arbeit, wenn man unterschiedliche Programme vorstellen will. Die
anderen kamen aus Kiew und sind eigens mit dem Zug 470 Kilometer gefahren. Zur Einführung
ging ich in einem Vortrag auf die Frage ein, warum es interessant sei, die Musik aus der Zeit vor
Bach zu spielen. Mit grosser Begeisterung, sich diesem Repertoire zu widmen, begannen wir drei
Stücke aus dem Clavierbüchein Willhelm Friedemann Bachs zu besprechen. Darin sind alle
stilistischen Elemente klar beschrieben und auch zu hören. Ich gewann den Eindruck, dass in der
Ukraine Improvisation und Generalbass kaum entwickelt sind, so dass nur wenige die Harmonien
in einem Stück rasch erfassen und in eine Variation umsetzen können. Ich habe deshalb ein
Experiment gemacht und liess jeweils zwei Organistinnen gleichzeitig spielen, wobei die eine nur
mit der linken, die andere nur mit der rechten Hand spielte. Alle waren interessiert und haben
viele Fragen gestellt.
Am 18. August war geplant, dass ich am Vormittag in der Dominikanerkirche proben sollte. Es war
alles eigenartig, wie in einem Roman. Zuerst kam Ivan zu der HSC-Wohnung, bisher war alles okay!
Dann habe ich mit den Frauen (Mutter von Ivan, Angelika, Studentin) ein Frühstück eingenommen,
während die Männer sich mühten, die Orgel zu verladen. Dann wurde ich von Ivan aus der Küche
gerufen und wir sind zum Lastwagen geeilt. Kaum, dass wir vorne beim Fahrer Platz genommen
hatten, hörten wir ein “Krack”. Wie wir später sahen, war es die Orgelbank, deren Fuss beschädigt
war. Ivan hat so schnell es ging von der Organistin des Orgelsaals eine Ersatzbank ausgeliehen.
Zur selben Zeit wurde vor der Kirche ein alter Markt (mit Gemüse, Kleidung, Fleisch) als Kulisse für
einen Film aufgestellt. Die Organisatoren haben eigens wegen uns mit dem Filmen gewartet, denn
ein Teil der Strasse musste geräumt sein, damit ein Loch in die Pflasterstrasse gemacht werden
konnte. Unser Lastwagen hätte dann dort nicht mehr fahren können! Ivan hatte an alles gedacht
und sich mit dem Filmteam arrangiert! Dennoch mussten wir entfernter parkieren als geplant und
so hatten die Möbelpacker eine rechte Arbeit mit der Orgel.
Ein Toningenieur hatte schon angefangen sich in der Kirche für die Konzerte des MozArt Festivals
einzurichten und dabei ein paar Probleme gehabt, sodass mein Übetermin auf 12 Uhr verschoben
wurde. Ich habe deshalb einfach meine Noten durchgeschaut und gut mental geübt. Nach einer
Pizza mit Ivan gingen wir zurück zur Kirche, wo auch noch eine unserer Organistinnen aus Kiew ein
Stück von Buxtehude vorspielte. Nach einigen wenigen Hinweisen rückte auch schon ein Orchester
zur Probe an und beendete so unseren improvisierten Unterricht.
Mit den Teilnehmern der Meisterklasse wollten wir natürlich auch ein wenig von der Stadt sehen
und haben dabei das Museum für Ethnographie besichtigt. In seinen Ursprüngen ist es das älteste
Museum in der Ukraine, es entstand 1951 durch den Zusammenschluss des Industrie Museums (gegründet in 1874) mit dem Museum Taras Shevchenko des Wissenschaftlichen Vereins (1895). Ich war überrascht, eine grosse Sammlung mit Uhren des 18. Und 19. Jahrhunderts dort zu sehen, die vor allem aus der Schweiz und Frankreich sowie aus Russland stammten. Auch die anderen
Ausstellungsteile haben mich sehr beeindruckt. Die Sammlung historischer Musikinstrumente weckte natürlich unser Interesse und so fragten wir, ob man darauf spielen
dürfe, was uns heftig verwehrt wurde. Mich hat diese Antwort ausserordentlich überrascht. In Frankreich lässt man dies in den Museen sehr gerne zu, auch wenn dazu eine gute Portion Bürokratie nötig ist. Hier dagegen war die Das Ethnographiemuseum Antwort sehr klar negativ.
Am Abend gab es das erste Konzert des MozArt Festivals mit Werken von Mozarts Sohn, Franz Xaver, der eine Weile in Lemberg gelebt hatte. Ivan hatte für mich und Angelika Einladungen zum Apéro erhalten. Dort gab es einige interessante Begegnungen mit der Dirigentin Oksana Lyniv und verschiedenen anderen Musikern sowie dem Bischof, der ausgezeichnet Deutsch sprach, und seinem Stellvertreter, der sehr gut italienisch konnte.
Am 19. August sind wir am Vormittag mit Ivan schnell durch die vom MozArt Festival organisierte Ausstellung über Franz Xaver Mozart und seine Zeit gegangen. Es war sehr spannend für Ivan dort eine Geige zu sehen, die Franz Xaver Mozart bisweilen wohl gespielt hatte. Mit einem Toningenieur mussten für mein Konzert noch einige Dinge ausprobiert werden und ich konnte noch ein wenig üben. Ich war etwas müde aber zum Glück waren alle sehr geduldig mit mir! Schliesslich durfte ich noch zwei Teilnehmerinnen des Kurses aussuchen – Olena und Olena! – die mir registrierten und blätterten, eine für die Alte Musik und eine für die Meisterwerke von Mozart. So konnte jede einen Teil des Konzerts in Ruhe hören. Schliesslich war dann mein Konzert. Es gab etwa 400 Zuhörer. Zwar kamen viele Touristen nur kurz herein, aber bei denen die blieben, insbesondere in den vorderen Reihen, war eine grosse
Aufmerksamkeit zu spüren, obwohl das Konzert 1 Stunde 30 dauerte! Dies war sehr angenehm.
Nach dem Konzert, ging ich mit den Teilnehmerinnen des Meisterkurses, einem Journalisten des
Senders Moderato und mit Ivan in ein Café, wo noch viele Ideen über Projekte und Orgeln in Kiew
ausgetauscht wurden. Es war sehr entspannt und interessant bis zum Schluss. Ivan und ich liessen
dann in einem bulgarischen Restaurant den Abend ausklingen. Es ist ein toller Moment, wenn man
sich entspannt nach der Arbeit austauschen kann.
Bemerkung: Es wäre toll, wenn Ivan die Zeit hätte, mit den Studenten in Lemberg, die Grundlagen
des Generalbasses und der Harmonielehre zu unterrichten, denn diese Fächer sind für das
Verständnis der alten Musik unabdingbar.
Herzlichen Dank an alle, die mir diese spannende Reise ermöglicht haben! Ich nenne niemanden, so kann ich niemandem vergessen!"